Wirtschaftsmediation ist für Corona wie geschaffen

Rasche Streitschlichtung statt langen Gerichtsverfahren - auch ohne Präsenzveranstaltungen

Wirtschaftsmediation für Coronazeiten

Corona schafft Konflikte. Sei es die zu zahlende Miete, abgerissene Lieferketten, nicht abgenommene Produkte oder der Streit um die Arbeit im Home-Office. Diese Dinge müssen rasch geklärt werden. Mit einer Mediation behalten Sie das Heft des Handelns in der Hand und vermeiden ein Gerichtsverfahren. Es soll schließlich auch nach Corona weitergehen.

 

Mediation steht für zügige, selbstbestimmte und kostengünstige Lösungen. Man setzt sich zusammen und diskutiert die Dinge moderiert aus. In Corona-Zeiten ist das Zusammensitzen allerdings unerwünscht und das Verfahren muss modifiziert werden. Dazu eine erste Orientierung.

 

Technisch gesehen, verbleibt ein bilateraler persönlicher Austausch über den Mediator, eine Videokonferenz, eine Telefonkonferenz oder der Schriftweg. Das sollte ausreichen. Wenn die Beteiligten sich persönlich kennen, also auch der Mediator die Parteien, dann sind eine Video- und bei weniger komplexen Fragestellungen die Telefonkonferenz sehr gut geeignet Mittel. Derzeit wird fast die ganze Wirtschaft in dieser Weise gesteuert.

 

In der Mediation kommt es allerdings auf Nuancen an. Wenn also der Mediator die beteiligten Personen nicht persönlich kennt, muss er sie persönlich kennenlernen. Ich empfehle ein intensives Einzelgespräch mit jeder der Konfliktparteien, natürlich unter Wahrung des gebotenene physischen Abstands. Nur so kann der Mediator ein Bild von der Person bekommen und einschätzen, wie bestimmte Reaktionen aus der Distanz zu interpretieren sind.

 

Sollten die Konfliktparteien selbst sich nicht persönlich kennen, ist in manchen Phasen der Mediation ein begleitender schriftlicher Austausch sinnvoll, um die notwendige Präzision zu gewährleisten. Ansonsten reicht eine begleitende Visualisierung auf z.B. einer Videokonferenz durch den Mediator.

 

Die Prinzipien der Mediation bleiben bestehen: Freiwilligkeit, Ergebnisoffenheit, aktive und passive Informiertheit, Vertraulichkeit, Eigenverantwortlichkeit der Medianten sowie Neutralität und Allparteilichkeit des Mediators. Vor allem die Vertraulichkeit ist ein Thema. Das Prinzip “alles bleibt im Raum” ist perdu. Über so etwas muss gesprochen werden.

 

Der grundsätzliche Ablauf einer Mediation und viele ihrer Methoden stehen weiterhin zur Verfügung. Insofern ist die Mediation geradezu wie für Coronazeiten geschaffen, um zügig und selbstbestimmt nach Lösungen zu suchen.


Mediation und Social Distancing - Variationen im Ablauf

Social Distancing in der Mediation führt zu anderen Ansätzen. Mediation ist gerade in Corona-Zeiten ein probates Mittel, um zügig und gemeinsam nach Lösungen für die Zeit nach Corona zu suchen. Die Soziale Distanz ist allerdings nicht nur ein technisches Thema. Nähe verbindet. Nicht jede Technik eignet sich zum Distance Socializing.

 

In der ersten Sitzung einer Mediation wird der Konflikt von beiden Parteien grob beschrieben, erläutert, wie es zu dem Konflikt gekommen ist, und die Erwartungshaltung formuliert. Will man den Konflikt gemeinsam lösen, muss in Coronazeiten über die Bereitschaft zur Nutzung der besonderen Kommunikationsformen gesprochen werden. Es muss eine allseitige Sicherheit in der Nutzung Technik bestehen oder diese muss aufgebaut werden.

 

Kommunikation erfolgt nicht nur durch den Austausch von Worten, von Fakten und Sachpositionen. Auch Mimik, Körperhaltung und andere Körperreaktionen sind Teile dessen, was als Botschaft beim jeweils anderen ankommt. Wir reagieren als Sprechender bereits beim Sprechen auf den anderen und formulieren unsere Worte unmittelbar um, klarer, mitfühlender, ausführlicher. Dieses alles ist für eine Mediation sehr wichtig, aber entfällt oftmals durch die räumliche Distanz.

 

Die Mediation über eine räumliche Distanz benötigt die Verständigung auf eine besondere Sensibilität und die technisch gestützte Herstellung von Nähe. Wesentliche Punkte des Gesagten müssen von allen Zuhörern aktiv verbal bestätigt oder abgelehnt werden. Nicken oder Kopfschütteln reichen nicht. Idealerweise wird eine Videokonferenz genutzt. Es gibt diverse Angebote wie Go-To-Meeting, Zoom oder Webex. Manchmal reicht eine Telefonkonferenz.

 

Es ist allerdings ein umfangreicherer Austausch von Regeln notwendig als normalerweise. Über die Distanz ist die Bereitschaft zum Zuhören noch weniger ausgeprägt als im gleichen Raum. Die Regel “Ausreden lassen” birgt noch mehr die Gefahr, dass der andere längst nicht mehr zuhört. Die maximale Redezeit muss in Coronazeiten festgelegt werden. Der Mediator muss sich eine zusätzliche Interventions- und Unterbrechungsberechtigung einholen. Zum Punkt Vertraulichkeit muss besprochen werden, dass keine Personen im Hintergrund mithören - auch nicht gewollt zufällig oder versehentlich.

 

Der respektvolle Umgang miteinander kann vom Mediator mit den Techniken des Umformulierens und der gewaltfreien Kommmunikation begleitet werden. Eine Mediation ist auch über die Distanz möglich und hilft in der Krise.


Sensibilität bei der Themensammlung

Mediation ist geradezu für Coronazeiten erfunden worden. Wenn alles andere stillsteht, kommt man hier zügig, selbstbestimmt und gemeinsam zu Lösungen, die auch in der Zeit nach Corona Bestand haben können.

 

Die Themensammlung ist der zweite Schritt einer Mediation nach der Klärung der Arbeitsgrundlagen und in der Regel die zweite Sitzung. Noch wichtiger als in einer Präsenzsitzung ist es in einer Distanzveranstaltung zu Coronazeiten, die Teilnehmer zu Beginn der Themensammlung systematisch wieder auf den gleichen Informationsstand zu bringen. Welches Thema genau soll besprochen werden, welche Schrittfolge, welche Prinzipien und die wichtigsten Regeln.

 

Die Themensammlung kann auch telefonisch erfolgen. Es ist aber wichtig, dass die Medianten ein gemeinsames Bild der zu besprechenden Themen erhalten. Grundsätzlich soll die Formulierung der Themen wertfrei, neutral, ergebnisoffen und kurz sein. Insbesondere, wenn keine Visualisierung möglich ist, müssen die Themen außerdem einprägsam und klar voneinander unterscheidbar sein. Geben Sie sich in dieser Phase die Zeit zu einprägsamen Formulierungen.

 

Achten Sie darauf, dass die Themenliste vollständig ist. Lassen Sie am Telefon Pausen zu. Selbstverständlich werden bei einer Wirtschaftsmediation die wirtschaftlichen Interessen formuliert. Formulieren Sie auch Gefühle. Es ist berechtigt zu sagen, dass Ihrem Gefühl nach ein falscher Eindruck entsteht, Sie in ein schlechtes Licht gestellt werden oder Sie nicht in einer bestimmten Weise behandelt werden wollen. Diese Punkte müssen geklärt werden, sonst schwelt der Konflikt weiter. Insbesondere in Distanzveranstaltungen fällt es vielfach nicht leicht Gefühle überhaupt anzusprechen und angemessen zum Ausdruck zu bringen. Tun Sie es trotzdem.

 

In einer Distanzveranstaltung kann es sinnvoll sein, dass der Mediator die zu besprechenden Themen nochmals wiederholt. Er wird auf die Gemeinsamkeiten hinweisen und in diesem Fall ggf. bereits einen Vorschlag für die Reihenfolge machen, in der die Themen besprochen werden. Beide Parteien müssen die Reihenfolge ausdrücklich bestätigen. Ein Grundprinzip In der Mediation ist, dass alle Themen besprochen werden, ganz gleich in welcher Reihenfolge. Der Mediator achtet darauf.


Einsicht als Herausforderung einer Distanzveranstaltung

Mediation ist auch in Corona-Zeiten ein probates Mittel, um gemeinsam nach Lösungen für die Zeit nach Corona zu suchen. Vor die Lösungsfindung ist in der Mediation allerdings die Einsicht in die Sichtweise des anderen gestellt. In Distanzveranstaltungen ist hierbei besondere Sensibilität von Nöten.

 

Bei der Bearbeitung der Themen treten wir in eine Phase ein, bei der die physische Präsenzsituation in einer Mediation normalerweise besonders wichtig ist. Entscheidend ist in dieser Situation die Vorbereitung. Dem Mediator müssen die tatsächlichen Bedürfnisse, die Interessen der Medianten sehr klar sein, wenn er den Prozess am Telefon erfolgreich moderieren will. Dieses birgt eine zusätzliche Verantwortung für den Mediator, aber auch für die Medianten.

 

Alle visuellen Standardinstrumente der Mediation für diese Phase entfallen außerhalb einer Präsenzsitzung oder sie sind nur eingeschränkt nutzbar. Theoretisch könnte in einer Videokonferenz mit einigen dieser Methoden gearbeitet werden, es fehlt jedoch die unmittelbare Interaktion. Ggf. Ist mit Zoom und einem Zeichenprogramm eine Lösung möglich. Die Techniken sind jedoch heute vielfach für viele Medianten noch zu ungewohnt und würden stören.

 

Dem Mediator bleiben die Instrumente der Einzelgespräche, des Sprechens für einen oder im Wechsel beide Medianten (Doppeln) und dabei die Formulierung des Gesagten und Ungesagten in verständlichen Worten. Auch die Neuformulierung des Gesagten oder durch den Mediator (Refraiming), die Wiedergabe des vom anderen Medianten Gesagten vor der eigenen Antwort (kontrollierter Dialog) sind probate Mittel, die am Telefon zum Ziel führen können. Vertrauen Sie hierbei auf den Mediator, auch wenn es Ihnen zunächst seltsam vorkommt.

 

Kritische Situation sind am Telefon besonders heikel. Der Telefonhörer ist schnell aufgelegt, der Ausknopf gedrückt. Der Moderator muss an dieser Stelle frühzeitig intervenieren. Er wird die Wahrnehmung der Situation durch ihn und die Auswirkung auf den Prozess beschreiben (konstruktiver Dialog). Vor allem aber: Gönnen Sie sich Pausen. 30 Minuten intensives Telefonieren können erschöpfender sein als 60 Minuten intensives Diskutieren vor Ort. Denken Sie an das Ende. Sie wollen den Konflikt lösen und zwar jetzt.


Digital unterstützte Lösungsfindung

Mediation ist auch in Coronazeiten ein Mittel um schnell, kostengünstig und selbstbestimmt zu Lösungen zu kommen, die lange Bestand haben. Die Phase der Lösungsfindung ist die Phase der digitalen Bildübertragung.

 

Die Sammlung der Ideen der Medianten kann mit den modernen Kommunikationstools sehr gut visualisiert werden. Je nach technischer Aufgeschlossenheit der Medianten, kann mit Power-Point-Charts, mit übertragenen Flip-Chart-Mitschriften bei Videoübertragung oder integrierten Zeichentools, wie z.B. Google-Jamboard, durch die Medianten selbst oder durch den Mediator der Verlauf der Ideensammlung unterstützt und aufgezeichnet werden. Wichtig ist, dass die Ideen sichtbar werden und für alle Beteiligten sichtbar bleiben.

 

In dieser Phase geht zunächst darum, eine Vielzahl von Lösungsideen zu sammeln. Die digitale Konferenzsituation macht es möglich, das einflussnehmende Umfeld der Medianten oder wichtige Ideengeber in die Ideensammlung einzubeziehen. Technisch ist dieses viel leichter lösbar als in Präsenzsitzungen. Diese zusätzlichen Teilnehmer können die Vielfalt der Lösungen bereichern.

 

Die Bereitschaft hierzu muss allerdings beidseitig sein. Auch der Prozess der Auswahl der geeigneten Lösung ist mit einer Videokonferenz gut moderierbar. Der Kreis ist aber hierbei wieder auf die relevanten Medianten reduziert. Dadurch bleibt die Vertraulichkeit gewahrt und das freie Denken wird erleichtert. Lösungen sind möglich, die unter der Beteiligung anderer nicht möglich sind, weil man wichtige Zwischenschritte zur Lösungsfindung möglicherweise in größerem Kreise nicht formuliert. Zudem waren nur die Medianten an dem Prozessteil der Gewinnung von gegenseitigen Einsichten in die Interessen des anderen beteiligt.

 

Die Schlussphase der Lösungsfindung ist von der Verhandlung der Medianten geprägt. Im Fall der virtuellen Sitzungen ist die Frage der Transparenz entscheidend. Jeder der Beteiligten muss zu jedem Zeitpunkt wissen, über was genau gesprochen wird. Neben den üblichen Konfliktbearbeitungstechniken ist die Visualisierung ein wichtiges Instrument. Hierauf achtet der Mediator.

 

Dank der digitalen Konferenztools gibt es auch unter Corona gute Lösungen.